Vowles-Wiedenmann-Orgel II/30 (1875/2011)
Die „neue“ Orgel in Eislingen, Liebfrauen, wurde ursprünglich 1875 für die Baptistengemeinde der Bristol-Road-Church in Weston-Super-Mare von Orgelbauer William Gibbons Vowles (1826 – 1912) mit 18 Registern erbaut. Vowles hatte seinen Firmensitz in Bristol. Dort bestand die Firma von 1856 bis ca.1950 von wo aus sie weitgehend lokal im Westen von England tätig war. Bereits 1886 wurde das Instrument durch die Erbauerfirma von der Empore an die Nordwand der Kirche versetzt und gereinigt. 1957 erfolgt ein Registertausch im Schwellwerk. Hierbei wurde die Vox humana durch eine Vox coelestis ersetzt. Außerdem wurde der Schwelltritt getauscht. Diese Arbeiten erledigte Orgelbauer George Day. Weitere Wartungen sind durch George Osmond, Taunton, an der Orgel vorgenommen worden, bis die Orgel durch ein elektronisches Instrument ersetzt wurde, jedoch am Standort erhalten blieb. 1980/81 wurde dann die E-Orgel wieder verkauft und mit dem Erlös die Reparatur der „alten“ Pfeifenorgel bezahlt. Unter anderem sind dabei Pfeifen ersetzt worden, die zur Aufstellung der Lautsprecher der E-Orgel im Orgelgehäuse entfernt wurden, außerdem wurde ein neues Radialpedal eingebaut und der Schwelltritt in die Mitte versetzt.
Im Jahr 2009 stand die Orgel schließlich zum Verkauf, da aufgrund von Renovierungen und Modernisierungen der Kirche, sowie der Neuausrichtung auf Gospel-Lieder im Gemeindegottesdienst, das Instrument nicht mehr gebraucht und zu Gunsten der Finanzierung der Renovation verkauft wurde. Über die Firma Ladach Instrumente, Wuppertal, erwarb die Liebfrauengemeinde die Orgel im Frühjahr 2010 und Orgelbauer Wiedenmann, Oberessendorf, wurde mit der Überführung, Restaurierung und Erweiterung der Orgel betraut. Die historische Vowels-Orgel ist für die 1958 entstandene Liebfrauenkirche, das erste adäquate Instrument. Davor stand 50 Jahre eine 9 registrige Orgel von Köberle in der großen Kirche als Provisorium. Neben der Instandsetzung und Restaurierung der historischen Teile wurde die Vowles-Orgel durch den Anbau eines Auxiliaire-Werkes klanglich erweitert, das beliebig an die vorhandenen zwei Manuale und das Pedal angekoppelt werden kann. Dies geschieht über elektrische Kontakte, die an die Ventilabzüge der vorhandenen Windladen angebracht wurden. Dies ist der einzige Eingriff in die historische Substanz der Orgel. Ansonsten wurde das Werk von 1875 belassen und wie vorgefunden aufwändig restauriert. Die Disposition der mechanischen Originalorgel wurde beibehalten, nur die bereits 1957 eingesetzte Vox coelestis wurde ins Auxiliaire integriert und dafür ein Gedeckt im Schwellwerk eingesetzt. Das Auxiliaire erhielt 10 Register wobei die Trumpet, auf einer eignen Multiplexlade stehend, durch Auszüge auch in 16’, 8’ und 4’ Lage spielbar ist und unabhängig von den anderen Registern des Auxiliaire an Manuale und Pedal koppelbar ist. Dadurch verfügt man effektiv über 12 zusätzliche Register und das Orgelwerk besitzt insgesamt 30 Register. Die Registriermöglichkeiten sind durch die flexible Handhabung des Auxiliaires aber ungleich höher. Das Auxilaire wurde neben neuen Registern vornehmlich mit historischen englischen Registern bestückt, um ein einheitliches Klangbild zu erhalten. Die Zusammensetzung der Mixtur orientiert sich ebenfalls an englischen Vorbildern, genau wie die Trumpet in englischer Bauweise mit Stürzen ausgeführt wurde.
(Aus: Kirchemmusikalische Mitteilung Nr.131, Amt für Kirchenmusik, Rottenburg-Stuttgart)